Ganz große Pizzaliebe!
Es ist soweit. Das Motto beim #instaflavourfeast war Streetfood und was konnte ICH da anderes zubereiten als Pizza? Ihr habt drauf gewartet, hier nun das Rezept samt aller Tipps, Fallstricke und jeglichem unnützen Randwissen, dass ich mir in den vergangenen zwei Jahren mit meiner Lievito Madre, vielen Hilfestellungen und seit etwa einem halben Jahr mit einem semi-professionellem Pizzaofen erarbeitet habe.
Vorneweg: Ich glaube, man muss sich weder eine Lievito Madre züchten/halten noch einen fancy Pizzaofen kaufen, um eine wirklich gute Pizza zuzubereiten. Aber es hilft ungemein und ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. Und ich würde freiwillig weder zu Fertigteig, noch Industriehefe noch meinem “normalen” Ofen zurückkehren, wenn ich nicht muss. Dennoch sind ein paar andere Dinge noch elementarer und noch wichtiger: Das richtige Mehl (nein, es muss nicht das berüchtigte authentische italienische Mehl sein, aber ein sehr, sehr gutes, wie dieses hier bspw.), viel Zeit und eine recht hohe Fehler- und Frusttoleranz. Und dann… Madonna Santa Margherita…
Zur Lievito Madre habe ich ja schon bei den Croissants an Claudio del Principe und Dirk von Sonachgefühl verwiesen. Ohne deren Vorarbeit und Ratschläge wäre ich hier nicht mal im Ansatz so weit.
Was macht eine Lievito Madre so besonders für Pizza? Wir sprechen hier von einem Weizensauerteig mit wilden Hefen. Die Teige werden vereinfacht gesagt durch die sehr lange Teigführung (wilde Hefen brauchen erheblich länger als Industriehefe) und durch die Milchsäurebakterien und die damit verbundene Fermentieren viel bekömmlicher und geschmacklich intensiver und vielschichtiger als “normale” Hefeteige. Kombiniert mit dem richtigen Mehl (Art wie Mühle wie Bioqualität) bekommt ihr damit einen Teig, der nur für sich allein genommen (und gebacken) schon so viel mehr ist als alles, was ihr jemals zuhause als Pizza gebacken habt.
Neben dem Teig sind natürlich die Belag-Zutaten super wichtig. Dabei kommt es zum einen auf die Qualität an, zum anderen aber vor allem bei Käse und Tomatensauce auf einen möglichst geringen Anteil an Wasser/Feuchtigkeit. Dazu weiter unten aber mehr.
Warum verwende ich nun einen gasbetriebenen Pizzaofen und nicht meinen Haushaltsofen mit Pizzastein? Die Temperaturen sind der maßgebliche Unterschied. Selbst mit einem ultramodernen Ofen bekommt ihr über längere Zeit keine Temperaturen über 300° C hin. Ein Pizzastein hilft ungemein, um einen knusprigen Boden zu erzeugen, aber einer dieser diversen neueren Pizzaöfen kann durch die irrwitzige Temperatur von ca 500° C etwas, was sonst nur eine Pizzeria kann: eine Pizza, deren Teig gleichzeitig kross und saftig ist. Die extrem hohen Temperaturen u.a. sorgen für einen Ofentrieb, der den Pizzateig rasend schnell aufgehen lässt, der heiße Stein lässt den Boden kross werden und das alles geht so schnell, dass die Pizza dabei saftig bleibt.
Genug des Vorgeplänkels, ran an die Pizza!
Pizza alla Veitone (für 4 Pizzen)
Zutaten (für den Teig):
588 gr Pizzamehl Tipo 00 (alternativ Mehl Type 550) in Bioqualität
66 gr Weizenvollkornmehl
ca 180 gr Lievito Madre (aufgefrischt) - Alternativ max 20 gr Frischhefe
425 gr Wasser (entspricht einer Hydration von ca 65%)
20 gr Salz
20 gr Olivenöl
Zubereitung:
Die Lievito Madre entsprechend rechtzeitig auffrischen, so dass sie maximale Kraft hat. Die Mehlsorten mischen, die LM beigeben und in der Küchenmaschine auf niedrigster Stufe kneten. Das Wasser langsam angeben. Dann das Salz, danach das Olivenöl. Auf einer niedrigen Stufe etwa 15 Minuten kneten, bis der Teig sich von der Schüssel löst.
Mit einem Handtuch bedecken und an einem warmen Ort (bspw im Ofen mit angeschaltetem Ofenlicht) für 1 Stunde gehen lassen. Danach für 2,5 Stunden alle 20 Minuten Stretch & Fold: Den Teig dazu von einer Seite mit der Hand nach oben ziehen (Stretch) bis kurz vor den Punkt, wo er zu reißen beginnt und den Teiglappen über den Teig klappen (fold). Die Schüssel um 90° drehen und den Vorgang wiederholen. Dies insgesamt viermal (eine volle Umdrehung) wiederholen. Die Schüssel abgedeckt zurück an den warmen Ort und das Prozedere alle 20 Minuten wiederholen. Dabei entwickelt sich die Glutenstruktur des Teigs. Ihr werdet merken, wie der Teig von Mal zu Mal fester wird.
Anschließend den Teig für mindestens 24 Stunden in der Schüssel abgedeckt in den Kühlschrank stellen. Ich empfehle je nach Erfahrung nicht mehr als 72 Stunden. Danach bedarf es einiger Übung, aus dem Teig Pizzen zu machen. Es lohnt sich aber!
Am Tag des Pizza-Zubereiten den Teig ca 3 Stunden vor em Essen aus dem Kühlschrank holen und 1-2 Stunden auf Zimmertemperatur kommen lassen.
Den Teig auf die Arbeitsfläche gleiten lassen. Die Hände mit Olivenöl einreiben und den Teig leicht mit Öl benetzen. In 4 gleiche Teile (am besten mit einer Teigkarte) zerteilen. Dann jedes Stück mit Öl benetzt zu einer kompakten Kugel formen, die leicht unter Spannung steht. Auf eine bemehlte Fläche setzen mit genügend Abstand, leicht bemehlen und abdecken. Für die folgende Stunde alle 20-30 Minuten die einzelnen Teigkugeln nachformen, um die Spannung aufrechtzuerhalten.
Dieser Teil erfordert gerade am Anfang viel Übung. Es ist elementar wichtig, dass ihr die Luft im Teig erhaltet und die Glutenstruktur aufbaut. Es gibt viele tolle Videos im Internet, speziell mein italienischer Namensvetter aus Bari ist eine große Hilfe. Lasst euch nicht demotivieren, wenn der Teig sehr klebrig wirkt oder die Kugeln ihre Spannung nicht aufrecht erhalten. Arbeitet auf keinen Fall zu viel Mehl oder Wasser ein. Einfach die Hände mit Olivenöl einreiben. Das hilft beim Teig formen und ist gut für die Haut…
Nun gehts an Backen:
Den Ofen (welchen auch immer ihr verwendet) rechtzeitig auf höchster Stufe vorheizen. Eine flache, breite Schale mit Mehl (idealerweise eine Mischung aus Hartweizengrieß und Mehl) füllen. Eine Teigkugel mit einer Teigkarte aufnehmen und in die Schale geben. Von beiden Seiten mit Mehl bestäuben und auf die Arbeitsfläche legen mit dem Abschluss nach unten.
Die Hände zu einem V formen und mit leichtem Druck den Teig und die Luft zum Rand drücken. Den Teig dabei leicht bemehlen und immer wieder drehen. Eine runde Pizza, etwas kleiner als ihr sie später backen wollt, formen. Auch hierzu gibt es tolle Videos.
Den Teig oben wie unten drunter möglichst komplett von überschüssigen Mehl befreien und nach Gusto belegen. Mit einem Pizzaschieber aufnehmen und nach Ofenanweisung backen.
So weit, so einfach (oder eben auch nicht). Für den Belag möchte ich euch folgende Tipps auf den Weg mitgeben:
Bei Tomatensugo empfehle ich passierte Tomaten. Stückige enthalten oft zu viel Flüssigkeit, da weicht der Teig durch, bevor ihr die Pizza auf den Stein bekommt. Dann backt sie fest und verbrennt.
beim Käse rate ich dazu, eher einen Fior di Latte Mozzarella als einen Büffelmozzarella zu nehmen und diesen ebenfalls gut abzutropfen.
Grundsätzlich gilt: je “trockener” der Belag, desto einfacher.
Es sind keine Grenzen gesetzt. Erlaubt ist, was euch schmeckt. Auch Ananas. Diese aber gut abtropfen ;-)
Und mein letzter und wichtigster Tipp: Lasst euch nicht unterkriegen. Ich hatte zwar erwartet, dass es echt komplex ist, eine wirklich gute Pizza zu backen. Aber ich war überrascht, wie viele Kleinigkeiten entscheidende Einflüsse haben (das Mehl!) und vor allem aber hatte ich eine Sache echt nicht erwartet: Wenn ihr den Dreh raushabt, dann geht ihr keine Pizza mehr essen. Nichts gegen unsere Lieblingsitaliener. Aber ihr bekommt das besser hin.
Zum Schluss sei noch gesagt, das Rezept und meine Tipps hier spiegeln meinen Kenntnis- und Erfahrungsstand im April 2022 dar. Ich habe jetzt schon viele Punkte, die ich noch austesten muss, bevor ich mich traue, sie weiterzugeben und viele Ideen, die ich ausprobieren möchte. Ich sage nur: Calzone! Ich werde über die Kommentarfunktion meine neuesten Erfolge und Misserfolge teilen. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr eure Erfahrungen ebenfalls mit mir teilt.
In diesem Sinne: Backt Pizza! Esst Pizza! Macht Menschen mit Pizza glücklich! Buon Appetito!