I’m going slightly mad…

Freddie Mercury muss Panettone gebacken haben, als er das schrieb. Ich bin mir da ganz sicher…

Panettone. Muss ich irgendjemand noch erklären, was das ist? Nein, oder? Für mich ist Panettone Weihnachten. In meinem ersten Winter in Mailand wurde ich damit quasi zwangsernährt. Überall und immer, wirklich immer gab es Panettone. In Verona schmücken sie sogar die Christbäume damit. Und es ist ja auch ein wunderbare Gebäck. Soft, saftig, süß, buttrig mit dieser leichten Säure des Orangeats. Ein Traum.

Wie ihr ja außerdem wisst, gehe ich den Sachen in der Küche gerne auf den Grund. Diese Suche führte mich während der Pandemie in die wunderbare Welt des Lievito Madre. Und natürlich recherchierte ich dann auch, was man noch so alles machen kann neben Pizza und Pane. Panettone beispielsweise.

Panettone dürfte wahrscheinlich der Mount Everest des Backens mit LM sein. Neben Colomba. Aber dazu an Ostern mehr. Warum sage ich das? Wenn ihr mal mit LM gebacken habt (oder hier oder an anderer Stelle darüber gelesen habt), dann wisst ihr ja bereits, dass Teige mit LM sehr lange Garezeiten haben. Lievito Madre hat einfach nicht die Power von Industriehefe. Folglich tut sie sich auch ein bisschen schwerer mit schweren Teigen.

Einschub: Lievito madre ist genau genommen maskulin, aber so sinnlich, dass sie für mich weiblich ist. Und Mutterhefe ist im Deutschen ja weiblich, da fällt es mir im Sprachfluss leichter, dabei zu bleiben. Das nur am Rande…

Also, LM und schwere Teige. Der Teig des Panettone ist irre schwer. Wie süße Hefeteige ja tendenziell, aber in diesem Fall echt die Krönung. In meinem Rezept, welches 4 Panettone a 500gr ergibt, stecken gut 330 gr Butter und sage und schreibe 16-18 Eigelb. Dazu Orangeat, Zitronat, kandierte Früchte, Schokolade, was ihr wollt.

Ich vermute, dies kommt wie bei der Colomba daher, dass man sich in den alten Zeiten zu hohen kirchlichen Festen nicht lumpen lassen wollte. Vielleicht hat es auch andere Gründe. Ich jedenfalls mag den Gedanken.

So nehme ich euch mit auf die Reise zum Panettone. Glaubt mir, sie ist es wert, so herausfordernd sie auch sein mag, so schön sind das Ziel und viele der kleinen Etappenziele auf dem Weg dorthin.

Bevor wir zum eigentlichen Rezept kommen, erkläre ich zunächst, was mir auf den zwei Backvorgängen im Nov/Dez 2022 alles widerfahren ist und was ich gelernt habe. Das Rezept ist von den Zutaten 1:1 das gleiche. Ich wollte möglichst genaue Vergleichbarkeit. Somit verwende ich das gleiche Mehl, gleiche Anzahl an Eiern, gleiche Butter, die Schritte bleiben grundsätzlich gleich und die “Füllung” ebenfalls. Die Details entscheiden.

Die Panettone des ersten Anlaufs waren geschmacklich toll. Der Teig war innen schön saftig, alles gut. Die Porung gefiel mir noch nicht, war aber gleichmäßig und ok. Der Trieb war auch ok, aber nicht ideal. keiner der ersten 4 Panettone kam souflemäßig aus seiner Form heraus. Die Gare war unfassbar lang, besonders skurril war aber dass das Backen knapp 2,5 mal so lange gedauert hat, wie es die meisten Rezepte angeben.

Was war beim zweiten Anlauf anders? Im ersten Versuch hatte ich die Lievito Madre nicht vernünftig aufgepäppelt. Darüber hinaus habe ich beim Kneten des ersten Teiges an der ersten Stufe zu wenig Geduld gehabt. Das Ergebnis war wie gesagt trotzdem toll, aber eben nicht perfekt. Folglich habe ich im zweiten Anlauf die LM besser gepäppelt und vor allem mehr Geduld gehabt. Das Resultat ist geschmacklich wieder hervorragend geworden, die Panettone sind etwas mehr in die Höhe gegangen, vieles war aber sehr ähnlich dem ersten Backvorgang. Die Gare war jeweils sehr, sehr lang und auch die Backzeit war zwar kürzer, aber eben immer noch um einiges länger, als in den gängigen Rezepten angegeben. Die Porung war ähnlich der beim ersten Anlauf, auch kamen nur zwei souflemäßig aus ihrer Form heraus. Going slightly mad…

Zusammenfassend hier meine vier Key Takeaways (wie man so schön businessmäßig sagt): das richtige Mehl (Manitobamehl), eine sehr gute Küchenmaschine, eine Lievito Madre auf voller Triebkraft und unfassbar viel Geduld entscheiden über das Ergebnis.

Als Basis meines Rezepts hat mir am meisten das Rezept von Amelia Albisser-Peterrutti geholfen. Für eine tolle Einführung von Vorbereitung der Lievito Madre empfehle ich Claudio del Principe und Dirk. Volker von volkermampft und Marcel Paa waren mit ihren Rezepten auch extrem hilfreich bei der Reise zum perfekten Panettone. Zum Schluss sei noch der Instagramaccount von Sourdoughsophia erwähnt. Die haben viele Stories und Tipps zum Panettone backen, die sie alle for free teilen. An alle hier Genannten geht mein Dank! Ohne euch wäre es ein seltsamer Stollen geworden.

Panettone artiginale (ergibt 4 Panettone a 500gr)

Zutaten:

für die LM Auffrischung:

  • Lievito Madre

  • 240 gr Biomehl Type 550

  • 150 gr Wasser

Für den ersten Teig:

  • 460 gr Mehl (idealerweise Manitobamehl)

  • 230 gr LM

  • 180 gr Zucker

  • 160 gr Wasser

  • 280 gr Butter (weich)

  • 260 gr Eigelb (entspricht etwa 14 Eiern)

Für den zweiten Teig:

  • den ersten Teig

  • 120 gr Mehl (wie oben)

  • 30 gr Zucker

  • 50 gr Eigelb (entspricht 3-4 Eiern)

  • 50 gr Butter weich

  • 10 gr Salz

  • 50 gr Wasser

Hier die Zutaten noch mal gebündelt für die Einkaufsliste:

  • 240 gr Mehl Type 550 (bio)

  • 80 gr Lievito Madre Ansatz

  • 580 gr Manitobamehl

  • 330 gr Butter

  • 310 gr Eigelb (entspricht etwa 18 Eigelb)

  • 210 gr Zucker

  • 10 gr Salz

  • 360 gr Wasser

Beigaben:

  • Orangeat, Zitronat, Kakaonips, Mandeln, kandierte Früchte, Cranberries, was euch beliebt.

  • Ich habe für meine folgende Zutaten verwendet: Tonkabohne, Orangeat, Zitronat, Mandelsplitter und Kakaonips.

Darüber hinaus benötigt ihr eine Küchenmaschine, Panettoneformen aus Papier, Schaschlikspieße oder Stricknadeln (8 Stück), Kühlpads sowie ein Bratenthermometer (idealerweise elektrisch).

Zubereitung:

Bevor wir anfangen: Panettone backen erfordert viel Zeit und Geduld. Idealerweise also ein Wochenende. Beginnend Freitag morgen oder Samstag, dann seid ihr am Sonntag fertig.

Bevor ihr mit dem ersten Teig beginnt bzw der Auffrischung, gebt die Rührschüssel (sofern sie aus Metall ist) und den Knethaken in den Kühlschrank bis zur Verwendung.

Zunächst wird die Lievito Madre aufgefrischt. Dies beginnt zeitlich am besten an dem Morgen, an dem abends der erste Teig gemacht wird. Die meisten Rezepte und auch ich empfehlen ein dreifaches Auffrischen. Wichtig ist hierbei, dass die LM sich jeweils verdoppelt. Das dauert je nach Alter der LM, Mehl, Temperatur etc ca 2-4 Stunden. Also beginnt am besten morgens. Darüber hinaus wollen wir für den Panettone die Hefekulturen der LM mehr als die Sauerteigkulturen. Daher müsst ihr die LM bei jeweils etwa 26° C auffrischen. Ich nutze dazu den Ofen bei angeschaltetem Licht oder den Raum unter der Spüle, wenn die Spülmaschine läuft oder das Sideboardabteil, in dem mein NAS steht. Der produziert auch gute Abwärme. Die LM also entsprechend auffrischen. Dazu nehmt ihr 80gr LM plus 80 gr frisches Mehl plus 50gr Wasser. Verrühren und in einem Gefäß aufgehen lassen. Dann wieder genauso verfahren. Dreimal das Ganze.

Für den Zeitplan solltet ihr so gegen 18-19 Uhr mit dem ersten Teig beginnen können. Dazu muss die LM in der dritten Auffrischung zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt sein.

Gebt den Zucker und das Wasser in die Rührschüssel und vermengt es mit dem Quirl zu Zuckerwasser. Dann die LM dazugeben und alles so lange auf Stufe 1 verrühren, bis eine homogene Masse enstanden ist.

Grundsätzlich empfehle ich, alles auf möglichst niedriger Stufe zu verrühren und immer wieder beim Kneten die Temperatur des Teiges zu kontrollieren. Dieser darf 26° C niemals übersteigen.

Sobald die LM und das Zuckerwasser eine Masse ergeben, löffelweise das Mehl einrühren und so lange kneten, bis der Teig sich von der Schüssel löst. Viele Rezepte geben hier etwa 15 Min Dauer an. Mit meiner MUM5 dauert das erheblich länger. Verliert die Geduld nicht, sie ist die Panettone-Tugend schlechthin. erhöht auch die Geschwindigkeit nicht unnötig, der Teig darf nicht zu warm werden. Notfalls zwischendrin für 30 Min in die Kühlung. Zenmeisterstufe Panettone.

Sobald der Teig sich löst, stimmt das Glutennetzwerk. Der Teig kann nun die anderen Zutaten aufnehmen. Ich kann es euch nur sehr ans Herz legen, hier wirklich so lange zu kneten, bis der Teig sich vom Schüsselrand löst. Das ist zwar die erste Geduldsprobe, aber elementar für das Gelingen. So bildet ihr direkt am Anfang ein starkes Glutennetzwerk aus. Der Teig wird es euch danken. Notfalls hier nun den Teig runterkühlen, bevor es weitergeht.

Zunächst geben wir die Eigelb dazu. In drei Chargen. Immer erst eine weitere Charge beigeben, sobald die vorherige komplett vom Teig aufgenommen wurde. Nach den Eiern kommt die Butter. Diese sollte zimmerwarm weich sein. Genauso verfahren wie bei den Eiern. Zur zeitlichen Einordnung: Bis hierher können gut 1,5-2,5 Stunden vergehen. Je nachdem, wie lange das erste Kneten des Teiges dauert und wie oft ihr ihn kühlen müsst. Plant das ein und verliert niemals die Geduld!

Wenn auch die Butter komplett in den Teig integriert ist, geben wir den Teig in eine Gärwanne. Der Teig ist soweit, wenn ihr, wie oben im letzten Bild ein stabiles Fenster in den teig ziehen könnt, ohne dass er sofort reisst.

Wer keine Gärwanne hat, kann eine sehr große Tupperschüssel nehmen. Oder ihr belasst den Teig in der Rührschüssel. Wichtig ist, dass der Teig genug Platz hat, um sich in den kommenden 10-12 Stunden (ja genau!) zu verdreifachen. Bei mir dauerte das in der ersten Charge etwa 12 Stunden, in der zweiten ca 15 Stunden…

Dies geschieht am besten bei etwa 26° C. Ich nehme dafür wie gesagt den Ofen. Ofenlicht an, einen Kochlöffel in die Tür geklemmt und den Teig bedeckt mit einem Küchentuch rein. Ab ins Bett und von Panettone träumen.

Am nächsten Tag, sobald der Teig sich verdreifacht hat, diesen kurz durchkneten, um die Luft rauszulassen. Danach für 30-60 Minuten in den Kühlschrank stellen. Rührschüssel und Knethaken ebenfalls wieder runterkühlen.

Den ersten Teig, den Zucker sowie das Mehl in die Rührschüssel geben und alles auf kleinster Stufe verkneten. Mindestens 15 Minuten, jedoch so lange, bis wieder ein Teig entsteht, der sich vom Schüsselrand löst. Geduld, Zen…

Dann wie beim ersten Teig zunächst die Eigelb in 3 Chargen, dann die Butter in ebenfalls 3 Chargen einarbeiten.

Zum Schluss das Salz und soviel von dem Wasser, wie nötig einarbeiten.

Sobald sich der Teig wieder von der Schüssel löst, kommen die Beigaben. Diese mit der Maschine nur ganz kurz (1-2 Minuten) einkneten. Den Teig in eine gefettete Plastikwanne stürzen (Oder auf eine gefettete Arbeitsfläche) und die Beigaben per Stretch und Fold vorsichtig einkneten.

Jetzt wirds greasy. Den Teig für etwa 1,5 Stunden alle 20-30 Minuten per Stretch & fold straffen. Ihr werdet merken, wie er immer mehr Struktur bekommt. Um dass sinnvoll hinzubekommen, jedes Mal die Hände ordentlich mit Butter einfetten. Nach dieser Zeit portionieren und rundwalken. Dafür wieder die Hände und auch die Arbeitsfläche dick mit Butter einfetten. Für eine 500 gr Form sollte der Teigling 550 gr (also 10% mehr) haben. Die Teiglinge mit dem Schluss nach unten in die Form geben. Die Formen in den Ofen stellen und bei Ofenlicht aufgehen lassen. Der Panettone ist fertig zum Backen, wenn der Teigling bis auf 2 cm unterhalb der Formkante aufgegangen ist. Dies kann zwischen 5 und 15 Stunden dauern. Bei mir dauerte das im ersten Anlauf etwa 16 Stunden, im zweiten dann ziemlich genau 11 Stunden. Im Ofen bzw an dem Ort, wo ihr den Teig gehen lasst, sollten 26-30° C vorherrschen.

Den Teigling mit einer Rasierklinge kreuzweise einschneiden. Den Ofen auf 165° C vorheizen.

Auf der untersten Schiene eine Fettpfanne einschieben, diese mit heizen. Bevor die Panettone auf dem Rost im unteren Drittel reinkommen, etwas Wasser zum Schwaden in die Fettpfanne geben.

Die Panettone für 45-50 Minuten bei 165° C Unter-/Oberhitze backen. Ggfs einmal den Rost wenden. Nach ca 35 Minuten ein Bratenthermometer einstechen. Die Kerntemperatur sollte am Ende 92-94° C betragen. Die Panettone aus dem Ofen holen.

Nun mit den Stricknadeln/Schaschlikspießen durchbohren und Kopfüber für 12 Stunden zum Auskühlen aufhängen. Danach für weitere 6 Stunden normal stehen lassen. Ab da könnt ihr sie verpacken.

Vor dem Essen empfiehlt es sich, wenn der Panettone 3-7 Tage steht. So entfaltet er sein volles Aroma.

Das linke Bild zeigt das Ergebnis der ersten Charge, das rechte Bild das der zweiten. In Echt sind beide etwa gleich gelb, das Foto täuscht hier.


Tja, was bleibt mir zu sagen? Es lohnt sich. Der Panettone schmeckt gigantisch gut, es ist das perfekte Mitbringsel zu Weihnachten, alle werden begeistert sein. Ihr habt, da muss ich Volker vollkommen recht geben, den aufwändigsten Kuchen der Welt gebacken. Herzlichen Glückwunsch und buon natale!

Habt eine besinnliche, friedliche und gesunde Advents- und Weihnachtszeit.

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Mantua me genuit…